Montecatini Terme

und die Great Spas of Europe

Montecatini Terme ist die berühmteste Kurstadt Italiens, einem Land, das so reich an Thermalquellen ist. Sie wird auch der „Kurgarten Europas“ genannt und ist ein eindrückliches Beispiel für die Integration und Einheit zwischen städtischer Siedlung und Landschaft, eingebettet in ein Netz von Thermalquellen. Die toskanische Kurstadt liegt in der Provinz Pistoia und ist darüber hinaus ein außergewöhnliches Zeugnis der letzten großen Blüte der europäischen Kurtradition im frühen 20. Jahrhundert. Antike Votivstatuen zeugen von den Römern, die als erstes die heilende Wirkung der Mineralquellen in Montecatini Terme für sich nutzten. Die frühste schriftliche Erwähnung des Kurortes stammt aus dem Jahr 1201, als die Quellen in einem Pergament aus Lucca erwähnt wurden. In einem weiteren Dokument aus dem Jahr 1370 wird bereits auf die Salzgewinnung aus dem Mineralwasser für den Lebensmittelgebrauch hingewiesen.

Die heutige Stadtstruktur entwickelte sich aus dem Stadtkern des 18. Jahrhunderts, zur Zeit Großherzogs Peter Leopold von Lothringen. Zu den stadtprägenden Elementen gehörte die von Bäumen gesäumte Tettuccio-Allee, heute Viale Verdi, eine Promenade, die die Kurgebäude miteinander verband sowie die wichtige Blickachse in Richtung des antiken Hügeldorfes Montecatini Castello, welches 1898 mit der Standseilbahn erschlossen wurde. Die Tettuccio-Allee verband die Thermen Leopoldine von 1780 und Tettuccio von 1781. Die Tettuccio Therme bildete dabei den architektonischen Hintergrund, der den Hügel mit Montecatini Castello auf der Spitze einrahmt. Weitere Gebäude dieser Zeit waren die Rinfresco Therme sowie die Palazzina Regia, die 1782 als Sommerresidenz der Familie Habsburg-Lorena erbaut wurde.

In einem großangelegten Erneuerungsprojekt wandelte sich die Garten-Kurstadt des späten 18. Jahrhunderts in eine Landschafts-Kurstadt. Das Stadtgebiet von Montecatini Terme umfasste im 19. Jahrhundert mehr als 460.000 Quadratmeter gestaltete Grünflächen, die harmonisch in die umgebende Landschaft flossen. Das grüne Herz der Stadt bildete der große Kurpark mit seinen weitläufigen Wasserflächen, dekorativen Mosaiken, Spazierwegen sowie Sport-, Vergnügungs- und Gesundheitsbereichen. Die Grünflächen besaßen nicht nur eine gestalterische Funktion, sondern waren zentraler Teil der Kur.

Die monumentale Kurarchitektur, welche sich auf die vier Quellen Tettuccio, Regina, Leopoldina und Rinfresco konzentriert, liegt verteilt in einer Oase von Gärten, Parklandschaften und Promenaden. Der grüne Charakter setzt sich fort in einem breiten Streifen aus Kiefern und terrassierten Olivenhainen, die sich gemeinsam mit der Seilbahn die steile Bergseite hinaufziehen und vom historischen Dorf Montecatini Alto bekrönt werden. Dieses bildet den zentralen Blickpunkt der Viale Verdi, der Prachtstraße und Hauptachse der modernen Kurstadt. Die Kurgäste erreichten die rund 260 Meter höher gelegene Altstadt entweder über einen steilen Wanderweg oder mit der Standseilbahn. Das Bergdorf, war das beliebteste Ausflugsziel der Kurgäste und bot die Möglichkeit frische "Bergluft" zu schnuppern, in den Restaurants rund um den Piazza Giusti zu speisen und den mittelalterlichen Turm oder den Palazzo del Podestà zu besichtigen und von dort den Panoramablick zu genießen.

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts erreichte Montecatini Terme seinen Höhepunkt mit der Realisierung des neuen Kurhauses, dem Theater Excelsior, der Sporteinrichtung La Torretta und zahlreichen Jugendstil-Villen und Hotels. Die letzte große Bauphase wurde insbesondere durch das ambitionierte Projekt zur Renovierung und Umgestaltung der Bäder durch Ugo Giovannozzi geprägt. Für die Modernisierung der Tettuccio Therme 1928 ließ er sich von der italienischen Renaissance und den antiken Thermen inspirieren. Ebenso die Therme Leopoldine und die Palazzina Regia wurde durch Giovannozzi renoviert und in diesem Zuge entstand 1927 auch die neue Regina Therme im Tettuccio Park.

Montecatini Terme zog bedeutende Intellektuelle und Künstler an, wie Giacomo Puccini und Ruggero Leoncavallo. Giuseppe Verdi hielt sich von 1875 bis zu seinem Tod im Jahr 1901 regelmäßig in der italienischen Kurstadt auf. Der Chefarzt der Terme di Montecatini, Pietro Grocco, war sein Leibarzt. Nach der Komposition der "Aida" verbrachte Giuseppe Verdi zehn Jahre ohne ein neues Werk zu komponieren. Erst als er 1882 nach Montecatini Terme kam, begann er angeblich wieder zu arbeiten und schuf einen Teil der Oper Otello. Laut Verdi war Montecatini Terme ein so angenehmer und „antidepressiver Ort“, sodass er ihn die nächsten 18 Sommer lang immer wieder besuchte. In Montecatini Terme komponierte er zudem auch einen Teil der Oper Falstaff.

Im 20. Jahrhundert waren es vor allem Schauspieler die zu den berühmten Gästen gehörten, wie Clark Gable, Audrey Hepburn, Orson Welles und William Holden; aber auch der Schriftsteller Truman Capote; die Künstler René Magritte und Paul Cezanne sowie Fürst Rainier von Monaco mit seiner Frau Grace Kelly, Mohammad Reza Pahlavi, die Herzöge von Windsor und der König von Schweden waren zu Gast. Montecatini Terme dient fortwährend als Zentrum balneologischer Behandlungen. Neben der langen Tradition der Hydrotherapie, sind die Thermalbäder in Montecatini Terme auch für Massagen, Physiotherapie, Schlammbäder, ozonisierte Bäder, Schönheitsbehandlungen und Inhalationen bekannt. Als „Great Spa of Europe“ hat Montecatini Terme in außergewöhnlicher Weise die Architektur und Atmosphäre des beginnenden 20. Jahrhunderts bewahrt und zugleich sensibel ihr Erbe fortentwickelt. (Von Isabelle Mühlstädt, Stabstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung Baden-Baden)

Bildunterschrift:

Die Tettucio-Quelle in den Kolonnaden der Tetuccio Terme wird von einer Granitfassung, die wie eine Muschel geformt ist gefasst und von einer Bronzegruppe von Meeresfiguren getragen – ein Werk des florentinischen Bildhauers Sirio Tofanari (Anfang 20. Jahrhundert).

Foto: Studio Fotografico Rosellini