Bad Kissingen

und die Great Spas of Europe

Das Bayerische Staatsbad Bad Kissingen gilt als Beispiel der idealen Kurstadt von der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die unterfränkische Kurstadt liegt am Fluss Fränkische Saale am südlichen Rand der Rhön und ist insbesondere für die solehaltigen Quellen, ihr reiches architektonisches Erbe des Klassizismus und des frühen 20. Jahrhunderts, sowie als renommierter Gesundheitsstandort bekannt.

Die Salzgewinnung besitzt in Bad Kissingen lange Tradition. Erstmals 801 als Ort erwähnt, wurde bereits 823 die Gewinnung von Salz durch die umliegenden Quellen dokumentiert, 1562 entstand in Kissingen das erste Strohgradierwerk nördlich der Alpen, und damit eine technische Revolution zur Salzerzeugung. Mit dem Rückgang der Bedeutung der Salzindustrie Mitte des 19. Jahrhunderts trat in Kissingen eine neue Ära ein: Die Einbeziehung der Sole als therapeutisches Kurmittel in den Kurmittelkatalog, wofür das Areal Untere Saline bis heute beispielhaft steht.

Schon im Mittelalter entwickelte sich Bad Kissingen zu einem Ort der Heilung. Ab dem 16. Jahrhundert ist Bad Kissingen weithin als Wildbad für seine Trink- und Badekuren bekannt. Im 18. Jahrhundert begann Bad Kissingens systematisch geplanter Aufstieg zur Kurstadt. Im Auftrag des Fürstbischofs von Würzburg wurde 1738 das neue repräsentative Kurhaus gemeinsam mit dem angrenzenden Kurgarten in der Nähe der Quellen Pandur und Rakoczy geplant und errichtet. Die Kuranlage gilt als der älteste Garten, der auf Kurzwecke hin geplant und ausgeführt wurde: Sowohl zum Promenieren als wesentlicher Bestandteil der Trinkkur als auch als gesellschaftlicher Treffpunkt und Spielwiese.

Ab 1814 wurde der Ausbau der Stadt Bad Kissingen konsequent weitergeführt und diese mit allen Annehmlichkeiten einer modernen Kurstadt ausgestattet. Das zentrale Kurquartier richtete sich an den Quellen Rakoczy, Maxbrunnen und Pandur südlich der Altstadt aus. Ein zweites Kurviertel entstand im Norden der Stadt. Schon im 18. Jahrhundert ließ sich Fürstbischof Friedrich von Seinsheim in der Oberen Saline ein Kurquartier einrichten, spätestens mit der Nutzung der Sole als Heilmittel Mitte des 19. Jahrhunderts, entstand an der Unteren Saline, am Runden Brunnen ein zweites Kurviertel mit Einrichtungen zur Gewinnung und Nutzung der Sole wie z.B. das Gradierwerk, das bis heute als Freiluftinhalatorium genutzt wird. Dazu geht man heute durch das Gradierwerk, in dem das salzhaltige Wasser über hohe Wände aus Reisig fließt, um dadurch die Salzkonzentration in der Luft zu erhöhen.

Durch ein Leitungssystem wurde die Sole von hier aus auch in die Stadt gepumpt und bis heute werden Kurhäuser in der Stadt sowie die moderne Therme mit Heilwasser aus den nördlich der Stadt liegenden solehaltigen Quellen gespeist. Besonders unter Engländern und Russen wurde Bad Kissingen seit den 1830er zum beliebten Ziel. Adelige aus ganz Europa sowie renommierte Künstler und Politiker vergnügten sich ab 1838 im neoromanischen Arkadenbau mit Kursaal, dem Herzen des Kurviertels.

Hier fanden auch politische Entscheidungen und Ereignisse von großer Tragweite statt. Beispielsweise verfasste Bismarck während eines Kuraufenthalts im Sommer 1877 das Kissinger-Diktat, in der er seine Außenpolitik skizzierte. Seine Wohnräume in der Oberen Saline sind erhalten. Kaiserin Sissi, so erzählt man, liebte es sich in der Kurlandschaft zu vergnügen. Bei ihren Aufstiegen zur Ruine Botenlaube oder dem Altenberg soll sie ihre Zofen stets abgehängt haben. Während eines Spaziergangs durch den Luitpoldpark entstand das letzte Foto von ihr.

Von der gezielten Förderung des bayerischen Königshauses, der Kaiserkur 1864 und den zahlreichen Besuchen des Reichskanzlers Bismarck ab 1874 profitierte Bad Kissingen und avancierte Mitte des 19. Jahrhunderts zur bedeutenden Kurstadt. Das Luitpoldbad wurde 1867-71 errichtet, um der stetig steigenden Besucherzahl ein modernes Bad bieten zu können. Seit 1883 trägt Kissingen den Namenszusatz „Bad“. Das zweite goldene Zeitalter der Bautätigkeit für Bad Kissingen begann im frühen 20. Jahrhundert und entgegen vieler anderer Kurstädte, setzte die Stadt an der Fränkischen Saale ihre stetige Entwicklung auch nach dem ersten Weltkrieg fort. 1913, im letzten Jahr vor dem Ersten Weltkrieg, lag Bad Kissingen angesichts der hohen Zahl der Kurgäste im Ranking der deutschen Kurstädte nach Wiesbaden und Baden-Baden an dritter Stelle.

So kommt es, dass das zentrale Kurviertel von zwei Bauphasen dominiert wird und diese auf besonders harmonische Weise vereint. Zum einen die Architektur des Biedermeiers und zum anderen die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts, die besonders durch das Schaffen von Max Littmann geprägt ist. Max Littmann, als Vertreter der Moderne, prägte das Stadtbild im Besonderen unter Verwendung innovativer Formen und Materialien. Die geschlossene Wandelhalle von 1912, die im Zuge dessen entstand, ist weltweit die größte ihrer Art, ermöglichte erstmals die Winterkur und ist überdies ein frühes Beispiel für die Anwendung der Stahlbetonbauweise in der repräsentativen Kurarchitektur. Ein technisches Highlight Littmanns ist die drehbare Bühne, durch die das Kurorchester bis heute bei gutem Wetter nach draußen in den Kurgarten wie auch, bei schlechtem Wetter, nach innen spielt. In der anschließenden Brunnenhalle wird damals wie heute das Mineralwasser ausgeschenkt und anschließend in der Wandelhalle genossen.

Brunnenfrauen beraten bei der richtigen Wahl des Wassers für die Behandlung spezifischer Leiden und reichen dazu zwei Mal am Tag den Kurgästen und Einheimischen das aus den Phosphor-Bronzehähnen sprudelnde Wasser. Ebenso nach Entwürfen des königlichen Hofarchitekten Littmann entstand der Regentenbau mit seinen opulenten Festsälen, die bis heute das Herzstück des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens der Stadt sind. Die medizinisch-therapeutische Anwendung der Heilquellen sowie Kultur- und Gesundheitstourismus sind ein lebendiger Teil Bad Kissingens, der in seiner ursprünglichen Funktion und in moderner Weiterentwicklung fortgeführt wird. Bad Kissingen, Bad Ems und Baden-Baden spiegeln authentisch das europäische Kurphänomen. In den kommenden Wochen widmen wir uns den anderen acht europäischen Kurstädten, die Teil der UNESCO-Welterbenominierung sind. (Von Isabelle Mühlstädt, Stabstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung Baden-Baden).

Bildunterschrift:

In der von Max Littmann entworfenen Brunnenhalle wird zweimal täglich das Heilwasser ausgeschenkt.

Foto: Michael Imhof, Stadtarchiv Bad Kissingen